Ironman Hawaii 2022

Pre-Race

Nach dem ich mich am 14.09.2019 in Wales für die WM in Hawaii qualifiziert hatte, hätte ich mir nicht vorstellen können, dass es mehr als 3 Jahre (1.122 Tagen) dauern wird, bis wir endlich wieder bei „dem“ Rennen auf der Insel starten können 😊

Dazwischen lagen letztlich 3 Trainingsjahre, 4 Reiseumbuchungen und sicher 7 Tage in der Lufthansa Telefon-Warteschleife.

Am 01.10.22 ging es dann endlich los und schon die Reise dorthin hat etwas Unwirkliches. Während in Frankfurt nur 7-8 Räder in der Sperrgepäck-Schlange standen, verändert sich das Bild zunehmend, je mehr man sich Hawaii nährt. So steigt die Dichte an Finishershirts, Kompressionssocken, IM-Rucksäcken und Radkoffern immer mehr an.

Auch das Getuschel der Mitreisenden verändert sich von „Was wollen wir uns alles am Ort X ansehen“ hin zu „hast du den/die da drüben gesehen? Meinst Du der ist in meiner Altersklasse? Der sieht fit aus! Schau mal der hat auch einen Wales-Rucksack. 😊“

Das Ganze „entlädt“ sich dann final am Zielflughafen in Kailua Kona. Der Ausstieg aus dem Flieger (22 Uhr) hat etwas von einem Eintritt in eine mittelwarme Sauna und spätestens nach der Abholung des Mietwagens und Einladen des Rades hat sich auch die Schweißbildung einem guten Saunaaufguss angenähert.

In der Unterkunft angekommen nimmt das Spektakel weiter seinen Lauf und es ist unmöglich zu übersehen, dass in den kommenden Tagen, die Augen der Triathlonwelt sich auf diesen kleinen Ort im Pazifik konzentrieren. Anbei ein paar Beispiele:

  • Wenn wir unsere Unterkunft am Ali Drive verlassen, müssen wir vorrangig auf Läufer und Radfahrer achten, anstelle von Autos.
  • Beim Schwimmen am Pier ist eine Verpflegung aufgebaut, wo man seine Wertsachen abgeben kann und im Nachgang ein frisches Handtuch und etwas zu trinken erhält.
  • Auf der Laufstrecke am Ali Drive sind ebenfalls Verpflegungsstellen von unterschiedlichen Veranstaltern aufgebaut, sodass man sich jederzeit ausreichend mit Flüssigkeit versorgen kann.
  • Sander-Style hat sich weitestgehend durchgesetzt und Oberteile sind zumindest bei den laufenden Männern eher Mangelware.

Die ganze Vorspannung kumuliert dann am Donnerstag beim Frauenrennen (plus einige Altersklassenmänner), wo ich bereits einen Vorgeschmack erhalte wie hart der Sport doch ist. Für mich ist es beeindruckend zu sehen, wie sehr die besten Athletinnen der Welt doch ans Limit gehen müssen.

Wir standen an der Laufstrecke bei Kilometer 3 (gleichzeitig auch Kilometer 12) und schon hier sehen viele so aus, als hätte die Seele den Körper längst verlassen 😊

Nach einem langen Tag durften wir dann mit einem überglücklichem Tom auf ein starkes Rennen am Donnerstag und einen noch stärkeren Marathon anstoßen.

Im Gegenzug gab es dann auch gleich noch einige wertvolle Tipps für den eigenen Renntag.

 

Race Day

So ein Rennmorgen in Kona ist Besonderes. Von Muschelbläsern begleitet geht es in die Startboxen, wo kurz darauf die amerikanische Nationalhymne ertönt.

Im Anschluss setzt ein rhythmisches Getrommel ein, am Himmel taucht ratternd der TV-Übertragungshubschrauber auf und das Gatter öffnet sich und es geht ins Wasser.

Ein Mitstarter ruft in diesem Moment „We are all going to die!“ Wir alle lachen, aber es herrscht auch ein leichter Zweifel, ob es wirklich nur ein Scherz ist 😊

Die Stimmung ist zum Zerreißen gespannt, aber das Einzige was bei mir nachgibt ist das Gummi meiner Schwimmbrille. Panisch frage ich Helfer am Schwimmeinstieg nach einer Ersatzbrille und diese wird mir binnen weniger Sekunden in die Hand gedrückt. Dankbar für die schnelle Hilfe schwimme ich zur Startlinie und dort ertönt auch sogleich der Kanonenschuss.

Obwohl ich generell nicht so gerne schwimme kann ich es in Hawaii fast genießen. Ich erwische einen ruhigen Start und finde schnell ein paar Füße, die ein für mich angenehmes Tempo schwimmen. In den folgenden 60 Minuten wechselt dann mein Blick wie bei einem Tennisspiel - zu den Fischen am Grund und hin zu den Füßen vor mir.

Ein besonders hell-gelb-leuchtender Fisch erweist sich zwar bei näherem Hinschauen als verlorene Badekappe aber dann nährt sich mit der Body-Glove (Boot) auch bereits der Wendepunkt. Die Wende läuft gut (ich habe meine geliebten Füße nicht verloren) aber der Rückweg zieht sich dann doch ganz ordentlich. Zum einen schwimmt man auf dem Rückweg etwas gegen die Strömung und zum anderen muss man den kompletten Pier entlang schwimmen (während man beim Start bereits 100-150 Meter im Wasser ist).

Nach 1:12 spuckt mich der Pazifik zurück an Land und ab jetzt wird es „hot“ 😉.

Der Wechsel aufs Rad verläuft unspektakulär und ich kann mich auf dem Rad ganz gut nach vorne arbeiten. Der Wind ist eher moderat und ich würde die Bedingungen als sehr gut bezeichnen. Dennoch bin ich auch dieses Mal wieder überrascht, dass die Strecke relativ langsam ist. So ganz kann ich mir das nicht erklären (eventuell sitze ich doch etwas arg tief/sportlich auf dem Rad so, dass die Leistung etwas leidet). Das werde ich fürs kommende Jahr mal etwas näher analysieren.

Obwohl ich immer wieder Teilnehmer um mich habe, ist ein faires Fahren gut möglich und auch die absolute Mehrheit hält regelkonformen Abstand ein.

An jeder Verpflegungsstelle gibt es eine Flasche Iso gegen den Durst und eine Flasche Wasser als Dusche um den Körper am Kochen zu hindern.

Ein großes Dankeschön gebührt hier den zahlreichen Helfern auf der Strecke. Stundenlang in der prallen Sonne Trinkflaschen anreichen ist sicher keine einfache Aufgabe und viele der Helfer reisen sogar extra dafür an. Einfach unglaublich!

Nach 5:14 Stunden kann ich den Flughafen und den Highway hinter mir lassen und biege auf den Pier ein.

Mit wackeligen Beinen stelle ich das Rad ab und laufe dennoch motiviert los, da bisher noch alle Systeme sich im grünen Bereich befinden.

Das ändert sich auf der Laufstrecke schlagartig und kein Kilometer später steht zumindest das Temperaturempfinden bereits tief im dunkelroten Bereich 😉

Der erste Teil der Laufstrecke (Ali Drive) geht an der Unterkunft vorbei und ich freue mich auf bekannte Gesichter.

Von Tom (am Donnerstag gestartet) habe ich den Tipp bekommen ein Tuch mitzunehmen und dieses im Eiswasser immer kurz zu kühlen. So verliere ich zwar etwas Zeit an den Verpflegungsstellen, aber der Weg ist ja noch weit.

Nach ca. 14 Kilometern bin ich zurück am Pier und es geht die steile Palani Road hoch auf den Highway. Dort geht es über zahlreiche Wellen Richtung Abzweig zum Energy Lab. Mittlerweile ist auch das letzte Wölkchen am Himmel verschwunden und die Windstille, die beim Rad noch angenehm war, sorgt nun für Bedingungen, wie ich sie mir nur beim Gegenübertritt dem Schöpfer vorstellen kann (mit negativem Ausgang versteht sich).

Als es dann endlich ins Energy Lab hinab geht sind bei mir alle Systeme am Limit. Hinzu kommt, dass an der Verpflegungsstelle auch gerade das Eis aus ist. So wanke ich, dann doch etwas langsamer geworden, hinab zur Forschungsstation. Für mich geht es nun primär darum nicht zu gehen und zahlreiche Teilnehmer um mich herum müssen sich der Versuchung ergeben, was ich gut/neidisch nachvollziehen kann.

Nach einer gefühlten Ewigkeit wanke ich wie ein Taucher auf dem Meeresgrund wieder hoch auf den Highway und nehme die letzten 8 Kilometer in Angriff.

Auf dem Hinweg habe ich hier 3 größere Wellen gezählt. Auf dem Rückweg sind es natürlich deutlich mehr, aber irgendwann kommt dann doch der Abzweig zur Palani Road und das Ziel beginnt greifbar zu werden.

Hier nimmt die Stimmung spürbar zu und die Straßen füllen sich mit Zuschauern. Von Joanne Murphy (Sprecherin Ironman Wales) werde ich beim Eingang auf den letzten Kilometer angefeuert und da sie mir 3 Jahre zuvor die Quali überreicht hat strahle ich sie über beide Ohren an und lasse sie leicht irritiert zurück.

Schlagfertig wie sie ist, bekomme ich natürlich dennoch einen flapsigen Spruch hinterhergerufen.

Dann ist es passiert, ich biege in den Zielkanal ein und kurz darauf höre ich die Worte „You are an Ironman“. Das eigentliche Highlight ist für mich allerdings das Wiedersehen meiner Freunde und die Gewissheit nun in den Schatten zu wechseln.

Am Ende stehen 10:11 min auf der Uhr und ich bin den Marathon in 3:37 gelaufen.

Damit bin ich sehr zufrieden, auch wenn ich insgeheim auf Sub10 gehofft habe.

Besonders bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei meinen Trainingskollegen aber vor allem bei meiner Familie.

So eine Vorbereitung auf eine Langdistanz ist ja nicht immer einfach und die bedingungslose Unterstützung, die ich genieße, macht vieles so viel einfacher.

Patrick Longhin

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